Szene 02
Maryam warf sich auf die Brust ihres liegenden Vaters und brach in lautes, bitteres Weinen aus:– Baba… warum bist du gegangen und hast uns allein gelassen? Baba, grüß Mama… wir werden euch so sehr vermissen… du Gutmütiger… du Großzügiger.
Die Nachbarn strömten ins Haus, gefolgt von den Kindern aus der Nachbarschaft. Bald weinten und klagten alle.
Petrus stand wie versteinert da, erschüttert von den letzten Worten seines Vaters, bevor er starb. Ihm wurde schwindlig, sein Gesicht wurde blass, und er fiel in Ohnmacht.
Die Menschen eilten zu ihm, während Rufe laut wurden:
– Bringt Wasser!
– Ruft schnell den Arzt!
– Holt ein Auto!
– Geht alle raus… wir brauchen Luft!
Petrus lag am Boden, halb bei Bewusstsein, halb bewusstlos. Als jemand Wasser auf sein Gesicht spritzte, öffnete er langsam die Augen, blickte um sich und flüsterte schwach:
– Ich will ein Glas Wasser…
Langsam beruhigte sich die Menge. Maryam bat die Anwesenden, den Raum zu verlassen.
Der Hof des Hauses füllte sich mit Menschen. Plötzlich betrat der Priester eilig das Haus, begleitet von einem jungen Diakon mit einem Weihrauchfass.
Petrus versuchte aufzustehen, um den Priester zu begrüßen, doch Maryam hielt seine Hand und verhinderte es. Er nickte nur schwach. Sein Gesicht war blass, seine Augen tief eingesunken.
Maryam beugte sich zu ihm und flüsterte:
– Sei stark, Petrus… die Welt geht nicht unter… ich weiß, du bist stark… die Zeit deines Vaters war gekommen… Gott hab ihn selig… alles wird gut.
Petrus sah sie schweigend an, aber ihre Worte gaben ihm Kraft. Er flüsterte zu sich selbst:
– Ja… die Welt geht nicht unter.
Der Priester trat an Shabos Leichnam heran, sprach einige Gebete, zeichnete das Kreuz auf seine Stirn und wandte sich dann an Maryam und Petrus:
– Ich habe die Jugendlichen der Kirche informiert. Sie bringen den Sarg. Wir müssen ihn vor Sonnenuntergang beerdigen. Gott hab ihn selig… er war ein gläubiger, hilfsbereiter Mensch. Seine Heimat ist der Himmel.
Er verabschiedete sich und verließ mit dem Diakon eilig das Haus.
Montage: Langsames Überblenden ins Schwarz.
Stumme Szenen mit Musik:
• Ein Sarg in der Kirche, umgeben von der Familie.
• Ein Autokonvoi fährt zum Friedhof.
• Der Moment der Beerdigung.
• Kondolenzempfang im Kirchensaal.
Montage: Langsames Überblenden ins Schwarz.
Die Wanduhr im Haus des Verstorbenen zeigt 22:15 Uhr. Das gleichmäßige Ticken erfüllt den stillen Raum. Die Kamera schwenkt langsam auf Petrus’ trauriges Gesicht, das ins Leere starrt. Er hebt den Kopf und sieht Maryam an – mit den Augen fragt er: „Hast du George informiert?“
Maryam wendet sich an ihren Mann George und sagt:
– George… bitte, nimm Gabriel und geh nach Hause. Ich komme gleich.
George steht auf, umarmt Petrus und sagt:
– Gott hab ihn selig… er war wie ein Vater für uns alle… sei stark, Petrus… so ist das Leben.
Er nimmt seinen Sohn bei der Hand und geht. Maryam schließt die Tür und setzt sich neben ihren Bruder.
– Petrus… hör mir gut zu… Baba ist weg… Gott hab ihn selig… wir müssen stark bleiben. Morgen kommen die Leute zur Beerdigung, und dann sprechen wir über deine Geschichte. Ich habe Dinge in meinem Heft notiert… der Verstorbene hat sie mir erzählt… und ich habe ihm immer gesagt, er soll dir die Wahrheit nicht sagen… aber in letzter Zeit hat er seine Meinung geändert.
Sie atmet tief ein und fährt fort:
– Jetzt… öffne den Beutel und schauen wir hinein.
Petrus zieht langsam einen kleinen Beutel aus der Tasche, öffnet ihn vorsichtig. Er nimmt ein kleines Holzkreuz heraus, auf dem „Petrus“ in Syrisch eingraviert ist. Er küsst es und legt es neben sich.
Dann entfaltet er ein altes, vergilbtes Blatt Papier mit schöner syrischer Schrift. George liest laut vor:
Ich habe das *Beth Kazo* der Kirche in einem Tongefäß versteckt… eingewickelt in Ziegenhaut, Nylon und roten Ton.
Es ist 30 Schritte östlich der Kirche, in Richtung des großen Baumes. Ich vertraue es der Jungfrau Maria an, bis der Träger dieses Briefes es findet.
Wenn es gefunden wird, baut eine syrisch-orthodoxe Kirche irgendwo auf der Welt.
Drei Kopien des Briefes habe ich an vertrauenswürdige Menschen gegeben, eine vierte liegt in dem Krug.
Ich entlaste meine Seele vor Gott.
Priester Barsomo Dbe Malki Hanno – 18. Mai 1914
Maryams Augen leuchteten auf:
– Weißt du, Petrus… ich habe den Priester vor fünf Jahren gefragt, was Beth Kazo bedeutet… weißt du, was er sagte?
Boutros, neugierig:
– Was denn?
– Er sagte, eines der Bedeutungen ist „Schatz“.
Petrus springt auf, voller Energie:
– Schatz?! Das ergibt Sinn… wie sonst sollten wir eine Kirche bauen?! Komm her, Schwester… lass mich deine Stirn küssen.
Maryam beugt ihren Kopf, und Petrus küsst sie auf die Stirn.
--- Ende der Szene 02 ---